DeSci-Projekt AminoChain erhält 7-Millionen-Dollar-Investment für Bio-Blockchain
AminoChain ist das erste Projekt der „dezentralisierten Wissenschaft“ (DeSci), das eine Finanzierung von einem traditionellen Investmentfonds erhalten hat. Was steckt hinter dem Projekt?
Der in Kryptokreisen wohlbekannte Fonds von Andreessen Horowitz, a16z, hat eine Investmentrunde in AminoChain geführt, die dem DeSci-Projekt sieben Millionen Dollar zugeführt hat. Fünf Millionen stammen von a16z, zwei Millionen von Cercano.
AminoChain wird damit zum ersten Projekt aus der Sparte der „Dezentralisierten Wissenschaft“ (DeSci), das die Ehre hat, eine Kapitalspritze von klassischen Investmentfonds zu erhalten, anstatt sich durch den Verkauf von Tokens zu finanzieren. Doch was steckt hinter AminoChain?
Wie meistens kann man diese Antwort in zwei Teile aufspalten: die große Vision und die konkrete Umsetzung.
Ein P2P-Marktplatz für Proben
Wie alle DeSci-Projekte möchte AminoChain die Arbeit der Wissenschaft durch dezentrale Strukturen verbessern, etwa Blockchains, Smart Contracts, DAOs und NFTs. Der konkrete Masterplan von AminoChain ist es, DIE Blockchain werden , die Akteure und Institutionen in der Medizin und den Biowissenschaften verbindet.
Das erste Projekt, das AminoChain unmittelbar nach dem Funding enthüllte, ist das „Specimen Center“ – zu Deutsch: das „Zentrum für Proben“. Dieses soll ein „Peer-to-Peer“-Marktplatz für Bioproben sein, beispielsweise Gewebe, Krebszellen, Haare, Urin, Blut, Speichel, DNA und so weiter. Was die Biobanken dieser Welt eben so lagern.
Biobanken – und ihre Probleme
Biobanken sind wichtige Säulen der modernen medizinischen Forschung. Sie helfen, neue Therapien zu entwickeln, Krankheiten zu verstehen und Experimente durchzuführen. Das Problem ist jedoch, dass Biobanken derzeit sehr verstreut und unkoordiniert arbeiten. In den USA gibt es angeblich mehr als 2.500 Biobanken, in der Schweiz mehrere Hundert, in Deutschland haben sich 39 Biobanken zu einer Allianz verbunden. Wie viele es insgesamt gibt, ist nicht dokumentiert.
Diese Biobanken lagern eine kaum überschaubare Anzahl an Proben. Allein in der Biobank an der Medizinischen Universität in Graz sind es 4,5 Millionen, die 39 Mitglieder der deutschen Biobanken-Allianz besitzen 35 Millionen. Weltweit dürfte die Anzahl in die Milliarden gehen.
Dieser Schatz an Daten ist aber alles andere als leicht zu heben. Es gibt keine einheitlichen Protokolle und Formate, keine Suchmaschinen, keine offenen Netzwerke, sondern viele Silos. Forscher kostet es viel Zeit und Mühe, die für sie nützlichen Proben zu finden und zu erhalten – falls überhaupt.
Darüber hinaus bleibt völlig intransparent, was mit den Proben geschieht. Oft geben Patienten ihre Proben nicht frei, weil sie, nicht ohne Grund, befürchten, dass diese unkontrolliert verwendet werden. Die Zustimmungsrate zur Weiterverwendung von Proben für die Wissenschaft liegt nur bei 25 Prozent (vermutlich in den USA).
Drei Viertel aller Proben werden der Forschung vorenthalten, und von denen, die in Biobanken lagern, dürfte nur ein Bruchteil den Weg zum richtigen Forscher finden. Das ist der wenig erfrischende Status Quo der Biobanken.
Wie AminoChain Biobanken vereinheitlichen will
Mit dem Specimen Center will AminoChain diese Probleme beheben. Alle Biobanken bekommen „Amino Nodes“, womit sie zu Knoten in der Blockchain von AminoChain werden.
Diese Nodes sind kompatibel mit den üblichen Informationsmanagement-Systemen in Labors. Sie harmonisieren die Daten über die Proben mit einem gemeinsamen Standard und teilen sie im P2P-Netzwerk. AminoChain soll damit eine Art Google der Bioproben werden.
Anders als im derzeitigen System ist dabei alles transparent: Auf der Blockchain wird dokumentiert, welche Lizenzverträge einzuhalten sind, woher die Proben kommen, was mit ihnen gemacht wird und so weiter.
Spender von Proben können genau bestimmen, wofür diese verwendet werden. Sie können zudem nachverfolgen, was mit den Proben geschieht, erfahren, welche wissenschaftliche Fortschritte mit ihnen erzielt wurden, und sogar mit profitieren, wenn die Proben kommerziell genutzt oder verkauft werden.
Das Specimen Center soll auf der einen Seite die Bereitschaft der Patienten stärken, ihre Proben in den Dienst der Forschung zu stellen. Auf der anderen Seite soll es den Forschern helfen, die passenden Proben rasch zu ermitteln und zu beziehen.
NFTs und Zero-Knowledge-Proofs
Technisch gesehen bleibt ziemlich viel im Vagen. AminoChain soll offenbar eine eigene Blockchain werden, aber es ist nicht bekannt, ob und welcher dezentrale Konsens-Algorithmus verwendet wird. Es gibt bisher noch kein Whitepaper, keine technische Dokumentation.
Immerhin verspricht AminoChain, starke Verschlüsselung und Zero-Knowledge-Proofs zu verwenden, um die Privatsphäre der Daten zu gewährleisten. So sollen die Proben anonymisiert sein, durch Zero-Knowledge-Proofs können die Spender der Proben jedoch nachweisen, dass sie die Spender sind, ohne Daten zur eigenen Identität preiszugeben.
Die Proben selbst sollen als Nicht-fungibles Token (NFT) gespeichert werden. Solche Token sind präzise identifizierbar, übertragbar, nachverfolgbar. Bei mehreren Milliarden Proben dürfte dies aber eine erhebliche Onchain-Skalierung verlangen.
Dies deutet darauf hin, dass AminoChain entweder eine EVM-fähige Blockchain bildet – eventuell eine angepasste Fork von Ethereum, vielleicht auch ein Rollup oder eine Sidechain – oder mit einer solchen interagiert.
Hochfliegende weitere Pläne
Das Specimen Center ist nur die erste Anwendung der AminoChain. Die Pläne der Gründer gehen weit darüber hinaus.
Die AminoChain soll sämtliche medizinischen Institutionen und Unternehmen – Kliniken, Labore, Forschungszentren, Biotech-Startups – miteinander verbinden. Sie soll die erste „HIPAA- und GDPR-konforme Blockchain“ werden, welche die zentralen Auflagen und Gesetze im US-Gesundheitswesen umsetzt, und damit der Standard des medizinischen Informationsaustausches. Sagen wir, das, was Swift für die Banken ist.
Das ist freilich ein hohes Ziel, welches nicht allein durch Technik zu lösen ist. Es wird eine gewaltige Überzeugungsarbeit verlangen, die eher konservativen medizinischen Institutionen zu gewinnen.
Aber eventuell könnte die AminoChain das erste Exempel statuieren, dass Blockchain im Informationswesen eine durchschlagende Rolle spielen können.
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